Alltag gestalten – Tage mit Rhytmus
Terminflut, spontane Anfragen, ständige Unterbrechungen. Es gehört zu den großen Herausforderungen der Leitungskunst, seinen Rhythmus und Stil zu finden. Ich habe in meinen bisherigen Arbeitsleben immer wieder experimentiert, um meinen Weg und einen Stil zu finden, um mit möglichst viel Lebensfreude und hoher Effektivität durch meinen Alltag zu kommen.
Vor längerer Zeit inspirierte mich die Idee, die klösterlichen Stundengebete in meinen Alltag zu übersetzen. Bewusst wechselte ich intensive Arbeitszeiten und kurze Unterbrechungen für Gebet und Meditation ab. Beten und Arbeiten. Anspannen und Entspannen! Kämpfen und Lieben! Dieser Rhythmus hat mir immer geholfen, meine Lebensmelodie zu finden. Er weckt die Energie, die ich für meine Aufgaben benötige. Er gibt mir das Gerüst, das ich brauche, um engagiert zu sein und meine Grenzen zu brechen.
Aber – um ehrlich zu sein – ich habs irgendwann einschlafen lassen. Nun am Ende eines Jahres wird es langsam Zeit, sich um die Vorsätze für das neue Jahr zu kümmern. Meiner lautet: ich will wieder Rhythmus in mein Leben kriegen! Und zwar irgendwie so:
Acht Gebetszeiten – acht Inseln im Tagesablauf
Im Klosteralltag gibt es acht Gebetszeiten: Vigil – die Nachtwache, Laudes – das Morgenlob, Prim, Terz, Sext, Non, Vesper – der Abendhymnus, und Komplet – das Nachtgebet. Nicht alle passen in meinen Tagesablauf, aber einige lassen sich einbauen. Der Tag beginnt mit dem Morgengebet, der „Laudes“. Die Laudes ist die Gelegenheit das Wunder zu bestaunen, dass ich einen neuen Tag geschenkt bekomme, dass ich lebendig bin. Jeder neue Tag ist eine kleine Auferstehung. Er bietet neue Chancen und neue Gelegenheiten. Gott weiß, weshalb ich noch mal die Chance erhalte, aufzuwachen. Was für eine großartige Chance, heute etwas zu bewegen und lernen zu können! Ich meditiere einen Text (z.B. aus der Bibel, Marc Aurel, von Sacred Sace oder auch Zenhabits) und nehme mir Zeit für Stille und Gebet. Dann frühstücken wir.
Die „Prim“ ist die erste Stunde der Arbeit. Bevor ich mit der Arbeit beginne, habe ich meine Aufgaben geordnet. Ich weiß, was mich erwartet und erbitte von Gott Mut, Phantasie und Weisheit. Danach mache ich mich an die Aufgabe, die meine meiste Kreativität und Konzentration benötigt. Ich schreibe einen Artikel, entwickle Ideen, arbeite an einer Predigt. Wenn der Spannungsbogen in der Mitte des Vormittages herunter geht, unterbreche ich mein Tun ein weiteres Mal für die “Terz”. Klassisch geschieht das gegen 9 Uhr im Kloster. Aber ich lege das mal lieber auf 11 Uhr. Dann ist die Hälfte des Vormittages vorbei, ich atme durch, reflektiere, wo ich Gottes Hilfe für meine Arbeit brauche und erbitte mir den frischen und dynamischen Wind des Heiligen Geistes. Ich schließe meine Arbeit ab und wende mich kleineren organisatorischen Aufgaben zu.
Die Mittagszeit ist eine eigenartige Phase in meinem Biorhythmus. Ich fühle mich oft miserable. Ich bin sauer, weil der Vormittag nicht so lief. Enttäuschungen haben sich aufgestaut. Ich nutze die Gebetszeit, um mich den Bewegungen in meinem Herzen zu stellen. Ich höre ein Lied und lese einen kurzen Text, der mich zum Durchhalten ermutigt. Ich achte darauf, wie mein Atem sich beruhigt und gönne mir eine kurze Auszeit.
Die „Non“ in der Mitte des Nachmittages bezeichnen die Mönche als die Stunde der Verheißung. Gott will zu uns stehen. Bevor ich weiterarbeite, gönne ich mir eine kurze Pause und stelle mir die Menschen, Begegnungen, Aufgaben vor Augen, die nun noch anstehen. Ich denke darüber nach, wie Gott die Menschen und Situationen, denen es zu begegnen gilt, sieht. Ich frage mich, welche Verheißung auf ihnen liegen könnte.
Meistens folgen eine ganze Reihe Termine, von denen ich irgendwann nach Hause aufbreche. Da ich einige Kilometer vom Arbeitsplatz entfernt wohne, nutze ich die Autofahrt für mein Abendgebet, die „Komplet“. Auf meinem mp3-Player habe ich Psalmgebete, Musik, die für mich Dankbarkeit ausdrückt und die hilft, den Tag zu reflektieren. Ich lasse ihn rückwärts an mir vorüberziehen und gebe bewusst Dinge an Gott ab.
Ich habe das Problem, dass ich in meinem aktuellen Job, meine Zeit nicht immer selbstständig einteilen kann. Aber an den Tagen, an denen das möglich ist, will ich mir im neuen Jahr Zeitinseln einbauen, die meinen Alltag ordnen. Sie müssen nicht länger als fünf Minuten sein. Aber ich will mir diese Auszeiten wieder gönnen. Sie gehören nur mir! Sie sind meine Karibikinseln im Alltagstrott. Ich werde mir wieder am Tag vorher, die Texte, Bilder oder CD rauslegen, die mir eine Hilfe sein können. Dafür soll alles erlaubt sein, was mich inspiriert und was mich lebendig macht. Im Kampf gegen die Mittagshitze hilft mir das Lied „Der Krieger“ von den Fantastischen Vier. Für das Abendgebet höre ich eine Cellosuite von Bach. Texte von Marc Aurel, Paulo Coelho oder Ignatius von Loyola sind fester Bestandteil meiner Gebetszeiten.
Machst Du mit? Experimentiere! Such Deinen eigenen Rhythmus! Sei kreativ! Du sagst, Dir fehlt für so etwas die Disziplin? Ich sage, ein Leben ohne Rhythmus ist kompliziert und gefährlich. Du sagst, Dir fehlt die Zeit? Ich sage, diese Fünf-Minuten-Unterbrechungen bewahren Dich vor falschen Entscheidungen, die richtig Zeit kosten. Du sagst, das ist Dir zu anstrengend? Ich sage wenn Du Dein Leben rocken willst, brauchen Deine Tage Rhythmus! Teile Deine Erfahrungen in der Gruppe Leitungskunst auf Facebook.
Noch ein Wort an die unter uns, die mit dem Thema “Gebet” nicht viel anfangen können:
Auch wenn Du nicht an einen Gott glaubst, können Dir die genannten Unterbrechungen eine große Hilfe sein. Setz Dich hin. Schließ die Augen. Nimm Deinen Atem war und höre in Dich hinein: Du lebst! Das ist ein Wunder! Du atmest! Du kannst gestalten! Das sind Geschenke! Wenn Du diese Gedanken auf Dich wirken lässt und Dankbarkeit einübst, verändert sich Dein Alltag nachhaltig und wirksam!